Anfang September wagen mein Mann Michael und ich, Manu, uns das erste Mal auf eine Licht der Hoffnung-Aktion. Dafür treffen wir uns mit Robin, Henning, Christine und ihrem Sohn Tom Micha am Bahnhof in Wuppertal. Wir machen uns kurz untereinander bekannt, erfahren, dass es auch für Robin die erste Aktion ist und da alle gut vorbereitet sind, können wir direkt starten.

Unser Weg führt uns durch die Innenstadt. Bei unserem ersten Halt treffen wir auf einen Mann, der auf einer Treppe sitzt. Er kann kaum glauben, dass wir ihm nicht nur warmes Essen geben, sondern auch Kaffee, Wasser und einige andere Lebensmittel für ihn einpacken. Er wirkt, als habe er lange nicht mehr richtig gegessen, denn sein Körper ist bereits komplett abgemagert, mit Armen und Beinen dünner als der Durchmesser einer kleinen Wasserflasche. Ich merke, dass er neben dem Hunger auch Gesprächsbedarf hat und so warte ich, bis er aufgegessen hat, und leihe ihm mein Ohr.

Etwas später sehen wir von weitem, wie ein Bedürftiger wild mit den Armen fuchtelt. Als wir ihn ansprechen, stellt sich heraus, dass er sich gerade am Brunnen die Haare gewaschen und anschließend trockengerieben hat. Auch er kann nicht glauben, was wir ihm an Nahrung und Hygieneartikeln einpacken. Bei jedem Artikel fragt er ungläubig nach, ob dieser wirklich für ihn sei. Es sei für ihn wie Weihnachten. Mir wird bewusst, dass das, was für uns alle einfach vollkommen normal ist, für viele Menschen, die wir treffen und versorgen, wirklich wie ein großes Geschenk ist.

Unsere letzte Station ist der Szene-Treffpunkt. Hier treffe ich so viele unterschiedliche Menschen, die alle, wie auch wir selbst, ihre eigene Geschichte haben. Viele fragen, ob es sich um eine einmalige Aktion handelt, oder ob wir bereits wissen, wann wir wiederkommen werden. Mit meinem elektrischen Rollstuhl bin ich sehr flexibel und so fahre ich zwischendurch auch zu den etwas abseits stehenden Gruppen, führe dort Gespräche und mache die Bedürftigen auf unsere Ausgabe aufmerksam. Auch Henning macht hier eine Begegnung, die ihm im Gedächtnis bleibt: Er kommt mit einer zunächst etwas skeptisch wirkenden Frau ins Gespräch. Es geht um Musik und allgemeine Themen des Lebens, aber auch das Verständnis und das nicht Verurteilen von Suchtkranken kommt zur Sprache. Als die Frau erzählt, dass sie mit dem H-Konsum anfing, um ihre Ängste zu betäuben, wird Henning einmal mehr klar, wie schnell es in dieser Welt gehen kann, dass man in ein Loch fällt, aus dem man ohne Hilfe nicht mehr herauskommt. Er muss direkt an Stephans Ansage beim Song „Angst ist nur ein Gefühl“ denken: „Versucht diese scheiß Dämonen zu besiegen und helft anderen dabei, wenn sie euch um Hilfe bitten!“

Die Zeit vergeht heute wie im Flug und so bin ich überrascht, als ich bemerke, dass die Dunkelheit bereits einsetzt. Wir beenden unsere Aktion, denn schließlich sind unsere Bollerwagen ohnehin wie leergefegt, und gehen gemeinsam etwas essen, um uns über die Aktion auszutauschen. Während wir zusammensitzen, bemerken wir einen Mann, der zunächst ganz langsam an uns vorbeigeht und dann, etwas entfernt von uns, stehenbleibt. Schließlich fasst er sich ein Herz und fragt, ob er die Reste, die noch auf unseren Tellern sind, haben könne. Natürlich kann er das! Wir geben ihm noch unsere Pfandflaschen und eine Flasche Cola, die ebenfalls übrig ist, dazu. Er ist zu Tränen gerührt und bedankt sich mehrfach.

Es war eine wirklich schöne Aktion für meinen Mann und mich. Auch wenn es für mich sehr anstrengend ist, hilft das gute Gefühl zu sehen, dass man Menschen auch mit kleinen Dingen eine große Freude machen kann. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass bereits so schnell solch intensive Gespräche stattfinden. Man merkt, wie gut es den Menschen tut, wenn sie ihre Geschichte erzählen dürfen, ohne dafür verurteilt zu werden. Neben den Begegnungen mit den Bedürftigen hat mich auch Henning heute sehr beeindruckt. Alles, was er tut und die Art, wie selbstverständlich er bei den Gruppen sitzt, als wäre es das normalste der Welt, hat mir gezeigt, dass es mehr solcher Menschen wie ihn braucht. Generell hat es die Gruppe meinem Mann und mir sehr einfach gemacht und neben der sozialen Aktion war es wie ein schöner Tag mit Freunden. Ich fand auch Christine unfassbar herzlich. Sie hat gut auf mich geachtet und obwohl sie zum Beginn unserer Tour noch nicht wusste, warum ich im Rollstuhl sitze, hatte sie, ohne dass ich es mitbekommen habe, immer ein Auge auf mich.

Sollte es hier noch weitere Nichten und Neffen im Rollstuhl geben, möchte ich Euch zurufen: Traut Euch ruhig, bei Projekten und Veranstaltungen teilzunehmen! Es gibt so viele wunderbare Menschen in der Onkelz-Gemeinde und es ist ein schönes Gefühl, helfen zu können. Wirklich keiner der Obdachlosen oder jemand am Szene-Treffpunkt hatte Vorurteile oder ging mit einem so um, als wäre man nichts wert. Denn genau diese Menschen sind es, die wissen, wie es ist, von anderen genau so behandelt zu werden. Ihr werdet Euch gut fühlen und es gibt immer etwas, das Ihr auch vom Rollstuhl aus tun könnt.

Wenn auch Du Lust hast, eine solche Aktion zu unterstützen oder sogar selbst zu planen und durchzuführen, melde Dich unter https://mein.bosc.de an.