Inzwischen erstrahlt auch in Berlin das Licht der Hoffnung hell und regelmäßig. So auch an diesem Samstag Ende Oktober. Wir, das sind Heiko, Nancy, Micha mit seiner Tochter, Chris sowie meine Frau Tanja, unsere Tochter und ich, Martin, starten unsere Runde wie immer am Berliner Ostbahnhof. Noch während wir unsere Bollerwagen beladen, werden bereits die ersten Bedürftigen auf uns aufmerksam. Dass sie sich noch ein wenig gedulden müssen, bis wir loslegen können, stellt für sie jedoch kein Problem dar. Noch schnell das obligatorische Gruppenfoto und los geht’s.
Wir versorgen die ersten Personen auf dem Parkplatz, bevor wir uns auf unsere üblichen Runde in die Tiefgarage begeben. Wir treffen hier heute nicht so viele Bedürftige an wie sonst, können aber dennoch den ein oder anderen mit Kleidung und Lebensmitteln versorgen. Dann führt uns unser Weg weiter, zum Eingang des Bahnhofs.
Als wir dort ankommen, fällt uns die hohe Präsenz der DB Security auf und so positionieren wir uns direkt auf der anderen Straßenseite und fangen die ersten Bedürftigen ab, die von den Sicherheitskräften verscheucht werden. Während unserer Ausgabe kommen immer mehr Personen dazu. Einen solchen Andrang haben wir hier bisher noch nicht erlebt. Unsere Bollerwagen leeren sich deutlich schneller als sonst. Viele der Bedürftigen stammen aus Osteuropa, was die Kommunikation nicht immer ganz einfach macht, doch mit Händen und Füßen schaffen wir es doch immer, uns mit den Menschen zu verständigen. Nachdem wir den Inhalt unserer Bollerwagen noch einmal aufgestockt haben, geht es weiter und wir drehen noch eine Runde um den Ostbahnhof.
Auf der Rückseite des Bahnhofs befindet sich die Bahnhofsmission. Auch hier treffen wir einige Bedürftige an. Ich spreche einen Mann an und frage ihn, ob wir ihm etwas Gutes tun können. Zu einem Kaffee sagt er nicht nein. Während ich den Kaffee zubereite, merke ich, dass der Mann noch ein viel wichtigeres Bedürfnis hat, das Bedürfnis, sich mitzuteilen. Und so leihe ich ihm mein Ohr und der Mann beginnt zu reden. Er redet lange und ich höre aufmerksam zu. Und auch, wenn solche Gespräche mitunter anstrengend sein können, so tut es den meisten, die wir treffen, sichtlich gut, dass ihnen einfach jemand zuhört. Während ich im Gespräch bin, verteilt Tanja gemeinsam mit den anderen Kleidung und stattet dabei auch einen Bedürftigen mit einer neuen Hose aus. Dieser stellt sich etwas abseits, um die neue Kleidung direkt anzulegen – soweit noch nichts Ungewöhnliches. Womit wir nicht gerechnet haben, ist, dass der Mann nichts drunter trägt und für einen kurzen Moment untenrum völlig nackt auf der Straße steht. Egal, wieviel man bei diesen Aktionen erlebt, es gibt immer wieder neue Situationen, mit denen man nicht rechnet.
Wir ziehen weiter und treffen unter der Brücke eine uns bereits bekannte Familie. Sie warten auf eine andere Organisation, die dort Essen verteilt, und freuen sich, dass wir ihnen die Wartezeit mit der Ausgabe neuer Kleider verkürzen können.
Inzwischen ist unser Vorrat an Lebensmitteln derart erschöpft und wir noch lange nicht am Ende unserer Aktion, dass wir uns dazu entscheiden, Nachschub im örtlichen Supermarkt zu besorgen, bevor wir weiter Richtung Alexanderplatz ziehen. Dort ist, wie immer, sehr viel los. Und die Bedürftigen gehen, wie immer, in dem Trubel völlig unter. Kaum einer der zahllosen Menschen, die sich über den Platz schieben, nimmt sie wahr. Kaum einer außer uns. Auch in diesem Bereich treffen wir viele Bedürftige unter den Brücken an. Unter den Brücken der S-Bahn, unter einer Brücke, die über die Spree führt. Aber auch auf dem Alexanderplatz selbst verteilen wir, was wir dabei haben. Besonders in Erinnerung bleibt mir eine Begegnung mit zwei Bedürftigen. Ein jüngerer Mann zu Fuß und ein älterer Mann im Rollstuhl. Die beiden freuen sich so sehr und so ehrlich über die Kleidung und alles andere, was wir ihnen anbieten. Der Jüngere nennt den Älteren immer Opa. Sie sind nicht verwandt, haben sich auf der Straße kennengelernt und es ist ein enges Verhältnis zwischen ihnen entstanden. Der Jüngere kümmert sich liebevoll darum, dass es Opa an nichts fehlt. Er bedankt sich sehr oft bei uns.
Auch eine junge Frau ist mir im Gedächtnis geblieben. Sie lebt erst seit wenigen Tagen auf der Straße. Wir verbringen einige Minuten mit ihr, hören uns ihre Geschichte an und versorgen sie mit allem Nötigen. Vor allem auch mit warmen Worten und Mut machen. Sie zeigt sich unglaublich dankbar. Für uns ist es immer wieder traurig, solche Schicksale zu sehen. Es lässt uns oft nachdenklich zurück.
Auf unseren Touren kommt es immer mal wieder vor, dass jemand Lebensmittel ablehnt, weil man bereits versorgt wurde. Das zeigt, dass das Hilfsnetzwerk, zumindest was die Versorgung mit Lebensmitteln betrifft, in Berlin recht gut zu funktionieren scheint. Doch wir haben heute insgesamt rund 80 Personen versorgt, das ist fast eine Verdopplung im Vergleich zu unseren bisherigen Aktionen. Wir hoffen, dass dies kein Trend ist, der sich in Zukunft weiter so fortsetzt.
Wenn auch Du Lust hast, eine solche Aktion zu unterstützen oder sogar selbst zu planen und durchzuführen, melde Dich unter https://mein.bosc.de an.