Im Gedenken an die Novemberpogrome 1938, im Zuge derer im gesamten damaligen Reichsgebiet Juden ermordet, Synagogen und Betstuben sowie Geschäfte, Wohnungen und Friedhöfe jüdischer Mitmenschen gestürmt und zerstört wurden, machen wir uns am 9. November in Tübingen auf den Weg, um ein paar Stolpersteine zu reinigen. Die Reichspogromnacht markierte den Beginn der systematischen Vertreibung, Unterdrückung und Ermordung der deutschen Juden. Die Stolpersteine gedenken derer, die ihr Leben in dem mörderischen Regime lassen mussten.

Wir, das sind mein Mann Hacki sowie unsere beiden Söhne und ich, Anne, beginnen in der Tübinger Südstadt, beim Parkhaus Blauer Turm. Die hier verlegten Stolpersteine sind sehr schmutzig und schlecht zu sehen. Dennoch hat jemand Rosen bei ihnen abgelegt. Während wir fünf der Steine, die vor einem Haus verlegt sind, reinigen, kommen wir mit dem Bewohner des Hauses ins Gespräch. Er hatte ebenfalls Rosen auf die Steine gelegt, musste jedoch beobachten, wie diese von Passanten mitgenommen wurden. Er freut sich sichtlich über unsere Aktion, die Steine wieder auf Hochglanz zu bringen. Auch auf unserer restlichen Route durch den Südstadtbereich kommen wir immer wieder mit Passanten und Passantinnen ins Gespräch.

Nach der Südstadt führt uns unser Weg in Richtung Tübinger Altstadt. Die Steine hier scheinen häufiger gesäubert zu werden, sie erscheinen nicht gar so schmutzig wie die Mahnmale in der Südstadt. Auch hier liegen vereinzelt Rosen auf den Steinen. Es freut mich, zu erleben, dass es auch aktuell eine Vielzahl anderer Menschen gibt, die sich des Themas annehmen. Vielleicht auch wegen der Brisanz unserer Zeit und den weltweiten politischen Geschehnissen.

Zu vielen dieser Steine habe ich Hacki und unseren beiden Jungs die Informationen zu den Familien vorgelesen, während sie die Reinigung vornahmen. Alles in allem bleibt festzustellen, dass es sich bei dem Projekt „Stolpersteine reinigen“ um einfach umzusetzende Aktionen handelt, die innerlich jedoch große Gefühle hinterlassen, da man Menschen gedenkt, die man zwar nie gekannt hat, über deren Leidens-, Flucht- oder Migrationsgeschichte jedoch eine Fülle an Informationen vorliegt. Wir wollen diese Aktionen nun häufiger durchführen, da sie keinen großen Aufwand bedeuten und dennoch Wirkung hinterlassen. Es ist schön anzuschauen, dass die Steine nun auch schon aus weiter Ferne zu erblicken sind, und wir sie nicht vom Staub der Zeit vergilben und verdrecken lassen.

Wenn auch Du Lust hast, eine solche Aktion zu unterstützen oder sogar selbst zu planen und durchzuführen, melde Dich unter https://mein.bosc.de an.